Tautenburg - Gasthaus "Zur Tautenburg"

Gasthaus
"Zur Tautenburg"
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Des Morgens im Bett

Es fängt schon im Bett an. Und das macht den ganzen Urlaub aus.
Sonst ist man ja auch über den Sonntag ins Freie hinausgefahren. Aber da hat man sich erst angekleidet, ausgerüstet und hat dann noch die ganze tragische Distanz, die den modernen Stadtmenschen von der Natur trennt, auf Straßen- und Eisenbahnen vielfach erlebt. Und hat man sich nachher auch in das wildeste Dickicht geschlagen, so war man doch von auswärts hingekommen, nur auf Besuch: ein Zugereister. Das hat einem die Distanz um den Leib gegürtet. Vergeblich war es, sich mit dem Gesicht im Moss zu vergraben. Man blieb auch im Walde ein Fremdling. Hier auf dem Lande ist das anders. Hier muß ich nicht erst in den Wald hinausfahren. Der Wald kommt zu mir durchs Fenster herein. Schon im Bett fängt es an. Ich schlage nur die Augen auf und sehe ein Eichkätzchen auf einem Tannenbaum. Die Sonne scheint mir unter die Decke. Ich gehe barfuß, im Pyjama auf den Balkon und bin schon im Wald. Nicht hingefahren, sondern hineinerwacht. Ja, gerade das, barfuß, im Pyjama in den Wald hinauszutreten, gerade das ergibt jene Intimität des Beisichzuhauseseins. So ist man ein Zuständiger geworden. Wir Bäume und sonstigen Waldwesen sind unter uns und genieren uns nicht voreinander.

aus Béla Balázs "Ein Baedeker der Seele" mit freundlicher Genehmigung des Verlages Das Arsenal, Berlin


"Meine liebe Freundin, eine halbe Stunde abseits von der Dornburg, auf der Goethe seine Einsamkeit genoss, liegt inmitten schöner Wälder Tautenburg. Da hat mir meine Schwester ein idyllisches Nestchen eingerichtet, das mich nun diesen Sommer bergen soll." Mit diesen Sätzen lud Friedrich Nietzsche 1882 die junge , später berühmte Lou von Salome nach Tautenburg ein. Auch heute noch bieten die wegereichen Ahorn- und Buchenwälder Ruhe und Entspannung. Dem Naturfreund winkt manche Entdeckung in der reichen Pflanzenwelt, der Wanderer blickt von der Hohen Lehde weit ins Land.

Tautenburg gehört zu den ältesten Orten in der Umgebung Jenas. Wer vom Saaletal kommend, sich dem Dorf nähert, wird vom hell leuchtenden Burgturm der ehemaligen Tautenburg begrüßt. Urkundlich erwähnt wird sie zum ersten mal 1223, der Ort selbst vier Jahre danach, 1227. Der Name leitet sich von den Burgherren, den Edlen von Tutenberc, her, die die Burg vermutlich im 12. Jahrhundert angelegt haben. Später übernahmen sie die Schenken von Vargula, ein bedeutendes Dienstmanngeschlecht der Thüringischen Landgrafen, die sich dann nach ihrem Herrschaftssitz Schenken von Tautenburg nannten. Der letzte Schenk am Ort war Christian von Tautenburg, der 1640 starb. Nach seinem Tod war die Burg umstritten. Sie fiel an die albertinisch - sächsische Linie. Im 18. Jhd. gehörte sie u.a. dem berühmten Marschall Moritz von Sachsen, einem natürlichen Sohn Augusts des Starken. Die Burg verfiel und wurde 1780 bis auf den Turm abgetragen.
1815 gelangte das Amt Tautenburg an das Großherzogtum Sachsen-Weimar. Entscheidend für die weitere Entwicklung Tautenburgs war 1880 die Gründung eines Verschönerungsvereins durch Pfarrer Herman O.Stölten. Zunehmend kamen Gäste nach Tautenburg, die hier Erholung suchten. Der Ort entwickelte sich zu einer beliebten Sommerfrische. Um die Jahrhundertwende kamen bis zu 1000 Besucher in das Dorf, das damals wie heute rund 300 Einwohner zählt.

Berühmte Gäste Tautenburgs waren neben Friedrich Nietzsche und Lou von Salome die Komponisten Franz List und Max Reger, der Jenaer Verleger Eugen Diederichs und der expressionistische Dichter Reinhard Johannes Sorge. Mit seinen Eltern verbrachte Joachim Ringelnatz als Kind des öfteren die Ferien in Tautenburg. Auch der Jugendbuchautor James Krüß erinnert sich gern der Tage, da er hier Unterkunft auf dem Weg aus dem Krieg nach Hause fand. Und Ricarda Huch, die 1945 in den letzten Kriegsmonaten sich nach Tautenburg zurückgezogen hatte, schrieb , sie habe hier "Tage reinsten, vollkommenen Glücks" erlebt.
Heute erinnern Gedenktafeln an diese mit dem Ort verbundenen historischen Ereignisse und Persönlichkeiten. Den Sprung, wenn auch nicht in die Welt, so doch in den Weltraum, schaffte Tautenburg schließlich mit dem Karl-Schwarzschild-Observatorium, der Thüringischen Landessternwarte, von wo aus man mit dem größten Teleskop auf deutschem Boden in die Galaxien bis zu einer Entfernung von einer Milliarde Lichtjahren vordringt.
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